Stand 03.03.2009 - Dr. Erhard Henkes

Mathematik systematisch verstehen

1. Mathematische Beschreibungen und Formeln Schritt für Schritt zerlegen

Mathematik verwendet bewusst kryptische Formeln, um Außenstehende fern zu halten. Dies ist natürlich übetrieben formuliert, aber zumindest fühlt man sich so, wenn man nicht gerade perfekt in dieser Formelsprache und den damit verbundenen Regeln ist. Daher werden sogar interessierte Naturwissenschaftler oder Ingenieure oft vom Verständnis interessanter und im Grunde einfacher Zusammenhänge gehindert. Wie kommt man hier systematisch weiter?

Regeln, Ableitungen oder Integrale muss man nicht auswendig beherrschen oder ableiten können. Man kann diese nachschlagen. Dafür muss man aber die Formelsprache zerlegen können. Über je mehr Basiswissen man verfügt, desto weniger tief muss man zerlegen, aber der grundsätzliche Weg ist der gleiche.

Nehmen wir als einfaches Beispiel die nach Einstein benannte Formel E=mc². Jeder, der weiß, dass dies das Gleiche ist wie E=m*c*c, kann mit dem Wissen, dass m für die Masse [kg] und c (lat. celeritas) für die Lichtgeschwindigkeit [299792458 m/s] steht, die äquivalente Energie einer Masse berechnen. Hier muss man nur die Grundrechenarten und das Quadrat (als Potenz) beherrschen. Aufgrund der Einfachheit ist diese Formel auch weit bekannt und leicht zu berechnen, wenn auch nicht jeder die physikalischen Hintergründe versteht.

Nehmen wir ein weiteres Beispiel, die Maxwell-Gleichungen, die bereits aus dem 19. Jahrhundert stammen und die Grundlagen des Elektromagnetismus in genialer Weise beschreiben. Hier soll es Elektro-Ingenieure geben, die diese Gleichungen nicht verstehen. Woran liegt dies? Schauen wir uns die Maxwell-Gleichung an, die die das Induktionsgesetz beschreibt:

http://upload.wikimedia.org/math/0/e/f/0ef8c1099182c3b18c582cbded6e3f29.png

Hier ist schnell Schluss mit Grundrechenarten. Aber immerhin, man erkennt im ersten Schritt den Zusammenhang x+y=0. Dies bedeutet y=-x.
Nun, wie kommt man weiter? Ganz einfach. Man schaut sich genau die "Zeichen" an und analysiert diese weiter. Schauen wir also nach rot, der so genannten "Rotation". Hier findet man rasch mittels wikipedia folgende Erläuterung:

http://upload.wikimedia.org/math/8/a/5/8a52e53f74046ba44f6b413675055fd3.png

Nun muss man allerdings wissen oder heraus finden, dass dieser "Faustkeil" mit der Spitze nach unten der Nabla-Operator ist.
Das fett gedruckte F (das Gleiche wie ein F mit Pfeil darüber) mit nachfolgendem Klammerausdruck stellt hier eine Vektorfunktion dar.
Die Rotation der Vektorfunktion bedeutet, dass man den Nabla-Operator mittels Kreuzprodukt (dieses x oder Kreuz) mit der Vektorfunktion F(...) verknüpft.
Als nächstes muss man nachschauen, wie man Spaltenvektoren mittels Kreuzprodukt verknüpft.
Zusätzlich muss man wissen, dass dieses kleine Delta für partielle Ableitungen steht.

Damit sind hier so viele Stolpersteine aufgestellt bzw. mathematisches Wissen gefordert, dass man rasch aufgibt. Das ist aber falsch, denn die Grundaussage (siehe oben) ist denkbar einfach!

Das Kreuzprodukt folgt der "Rechtehandregel" bezüglich der Richtungen und wird in drei Dimensionen wie folgt berechnet:

http://upload.wikimedia.org/math/c/e/8/ce8c1b3a8aa00cbd8b31b7d308010e54.png

Wenn Sie verstehen wollen, warum dies so gerechnet wird, müssen Sie hier weiter bohren:
http://de.wikipedia.org/wiki/Regel_von_Sarrus
Das ist aber für das Verständnis der Maxwellformel nicht notwendig! Im ersten Ansatz nur so weit gehen, dass man etwas berechnen kann. Dies ist ein guter Ratgeber. Ansonsten verliert man sich leicht in den Gefilden der Mathematik und verliert das eigentliche Ziel aus den Augen.

Wichtiger ist dieses kleine Delta und die partielle Ableitung. Hier geht es also weiter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Partielle_Ableitung

Die partielle Ableitung einer Funktion, die von mehreren Variablen abhängt, wird bestimmt, in dem man bis auf eine Variable alle anderen Variablen als konstant annimmt. Bezüglich dieser verbleibenden einen Variablen bestimmt man den Differenzialquotient. Das Ergebnis ist die partielle Ableitung der Funktion nach dieser einen Variablen. Dies kann man nun gleichermaßen für alle Variablen durchführen und erhält sämtliche partiellen Ableitungen.

Hier findet man ein einfaches konkretes Beispiel mit zwei Variablen: http://de.wikipedia.org/wiki/Partielle_Ableitung#Beispiel_1

In der Mathematik / Physik verwendet man klassisch die drei Raumvariablen x,y,z (kartesische Koordinaten) und bildet demnach drei partielle Ableitungen.
Hier findet man weitere Infos zum Euklidischen Raum: http://de.wikipedia.org/wiki/Euklidischer_Raum
Allerdings besteht auch hier wieder die Gefahr des völligen Abdriftens, weil sich ein unklarer weiter führender Fachbegriff an den anderen reiht.

Zuletzt muss man noch verstehen, was dieser Spaltenvektor bedeutet: Man muss sich klar machen, was diese ()-Darstellung eines Vektors bedeutet. Es sollen mit ihm die Koeffizienten der Linearkombination der Basisvektoren festgehalten werden. Vektor = Summe(ak*ek) wobei ak die Koeffizienten der Basisvektoren ek darstellen. Für einen dreidimensionalen vektor bedeutet dies konkret: 3D-Vektor = x*ex + y*ey + z*ez
Im dreidimensionalen Raum findet man folgende drei Basisvektoren (dargestellt als Koeffizienten mit den Werten x=1, y=1 und z=1 in drei Spaltenvektoren):

(1 0 0), (0 1 0), (0 0 1)

Nun sind die wesentlichen Punkte geklärt: Rotation, Nabla-Operator, partielle Ableitung, Kreuzprodukt, Spaltenvektor-Schreibweise.

Physikalisch ausgedrückt liest sich

http://upload.wikimedia.org/math/0/e/f/0ef8c1099182c3b18c582cbded6e3f29.png

nun wie folgt:

Die lokale Wirbeldichte rot E des elektrischen Feldes E ist gleich der negativen zeitlichen Änderung der magnetischen Flussdichte B.